Corona-Streit: Grüner verlässt Ratssitzung in Lengede

23. Dezember 2020

Corona-Streit: Grüner verlässt Ratssitzung in Lengede

LENGEDE. Den Haushalt für 2021 lehnt Bernd Hauck im Lengeder Rat noch ab – er wird
dennoch mehrheitlich beschlossen.

Eine griffige Sitzung brachten die Mitglieder des Gemeinderates Lengede am Montagabend
zum Jahresabschluss in der Mehrzweckhalle der Lengeder Grundschule hinter sich. Nicht
nur wegen der niedrigen Raumtemperatur war die Stimmung sehr unterkühlt. Die
Knackpunkte waren der neue Haushalt für 2021, die Skater- und Parcoursanlage und das
Hygienekonzept beziehungsweise die Tatsache, dass der Gemeinderat noch einmal in einer
Präsenzsitzung tagte. Lesen Sie hier, wieso Bernd Hauck (Grüne) protestiert hat.
Bernd Hauck (Grüne) hatte schon im Vorfeld angekündigt, die Sitzung aus Protest nach der
Abstimmung über den neuen Haushalt zu verlassen. Das tat er dann auch am Montagabend.
Sein Antrag, die weiteren Punkte auf der Tagesordnung zu verschieben, wurde sowohl von
der CDU/FDP-Gruppe wie auch der SPD-Mehrheitsfraktion mehrheitlich abgelehnt. Nur
Dieter Meyer von der SPD hatte zuvor Verständnis für die Argumente von Bernd Hauck
gezeigt.

Das „falsche Signal“ an die Bevölkerung

Der Grünen-Politker empfand die erneute Präsenzsitzung des Lengeder Rates als absolut
„falsches Signal“ an die Bevölkerung, die derzeit wegen der Corona-Lage immer wieder
aufgefordert und verpflichtet werde, Kontakte zu meiden und zu reduzieren. GemeindeBürgermeisterin Maren Wegener und die Fraktionsvorsitzenden Michael Kramer
(CDU/FDP) und Sven Anders (SPD) verwiesen darauf, dass alle Ratsherren fast durchgehend
mit FFP2-Masken an der Sitzung teilnahmen. Nur bei längeren Redebeiträgen nicht. Dafür
wurde das weiterzureichende Mikrofon jedes Mal desinfiziert, es durfte nur mit einem
Gummihandschuh gehalten werden und es hatte einen Plastiküberzug.
Dies, die Masken und die mäßig eingestellte Lautsprecherbox in der kalten Grundschulhalle
trugen zumindest zu Beginn der Sitzung nicht gerade zur guten akustischen Verständlichkeit
der Beiträge bei. Die Ratsmitglieder, aber auch die rund 20 anwesenden Bürger mussten sich
sehr konzentrieren, um alles verstehen zu können.

SPD-Mehrheit setzt den neuen Haushalt durch

Verstehen konnte oder wollte Sven Anders von der SPD nicht, dass gerade die CDU/FDPOpposition im Vorfeld viele Entscheidungen für Projekte und Investitionen der Gemeinde
Lengede mitgetragen hatte, am Montagabend aber den Haushalt für 2021, ebenso wie Bernd
Hauck, ablehnte. Wie immer brachte das nichts, weil die SPD im Lengeder Rat die klare
Mehrheit hat.
Zwar kündigten fast alle Redner zum Haushalt „kurze“ Beiträge an, wegen der CoronaSituation, aber eigentlich waren sie fast so lang wie jeweils in den Vorjahren. Die Argumente
waren im Vorfeld bereits mehrfach ausgetauscht worden.

Kritik an SPD-Alleingängen

Michael Kramer kritisierte erneut die aus seiner Sicht zunehmende Tendenz der SPDMehrheitsfraktion zu politischen Alleingängen, ohne konstruktive Absprache mit den
anderen Parteien. Rund 2 Millionen Euro neue Schulden seien zudem einfach zu viel. Und
ohne den Corona-Zuschuss vom Land (600.000 Euro) wären diese noch höher, betonte der
Sprecher der CDU/FDP.

Zwar gab es auch ein Lob für die Gemeinde-Bürgermeisterin a la Helmut Schmidt, „das hat
sie ganz ordentlich hinbekommen“, aber Michael Kramer war auch offen und stellte
zumindest in Frage, ob es wirklich die Aufgabe einer Gemeinde sei, wie in Lengede
geschehen, eine Hebamme einzustellen. Man müsse aufpassen, dass die Kommunen durch
solche zwar grundsätzlich löblichen Maßnahmen nicht die Aufgaben anderer, zum Beispiel
der Kranken- oder Sozialkassen, übernehmen.

Baugebiete ziehen nicht mehr als Einnahmequelle

Bernd Hauck von den Grünen stimmte wie die CDU/FDP gegen den neuen Haushalt.
„Corona legt die Defizite offen“, sagte er in seiner ebenfalls nicht wirklich kurzen Rede.
Erneut führte er aus, dass das bisherige Einnahmemodell der Gemeinde durch die immer
neue Ausweisung von Baugebieten nicht mehr funktioniere, da dies auch immer enorme
zusätzliche Kosten mit sich bringe (Grundstückskauf, Erschließungen und zusätzliches Kita-Personal).

Kritik am neuen Ortszentrum

Auch der Grünen-Politiker verwies auf die gefühlte Tendenz von Gemeindeverwaltung und
SPD, die Bürger im Vorfeld wichtiger Entscheidungen nicht einzubeziehen. Speziell nannte er
hier das geplante neue Ortszentrum in Lengede hinter dem Bodenstedter Weg. Derzeit sei
auch nicht absehbar, dass das den Ort wirklich wie geplant aufwerte und die angestrebte
hohe Aufenthaltsqualität bieten werde. „Nur 40 neue Parkplätze zu schaffen und den Markt
dorthin zu verlegen, das ist zu wenig!“
Generell kritisierte Bernd Hauck Klima- und Verkehrskonzepte der Gemeinde Lengede,
sofern sie überhaupt vorhanden seien.

Grundschulen ausreichend vor Corona geschützt?

Ebenso sieht er speziell die Grundschulen als zu wenig vor Corona geschützt an. Dafür hatte
er die Gemeindeverwaltung aufgefordert, einen Beschlussvorschlag zur Entscheidung über
die Anschaffung von Belüftungsmaschinen vorzulegen. Das passierte auch später, als Bernd
Hauck die Sitzung schon verlassen hatte. Die verbliebenen Parteien stimmten der Vorlage zu,
nach der „vorerst keine“ Belüftungsanlagen angeschafft werden.

Pause für Lüften

Die Verwaltung lehnt das ab, und argumentiert, dass dann automatisch alle rund 100 Räume
der Gemeinde, nicht nur die Grundschulen, damit ausgestattet werden müssten. Das sei zu
teuer. Zudem sei der Nutzen dieser Maschinen noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen.
Immerhin wurde die Ratssitzung am Montag kurz unterbrochen, um die Halle zu
durchlüften, was sie dann noch kälter machte.
Sven Anders von der SPD verwies noch auf die notwendigen rund 25 Millionen Euro an
Investitionen der Gemeinde im neuen Jahr. Neue Kitas oder die Sanierung der Kläranlage
seien gut ausgegebenes Geld. Die Gemeinde Lengede werde für die Zukunft weiter gut
aufgestellt.

Zahlt Amazon Gewerbesteuern?

Einen interessanten Punkt hatte Bernd Hauck noch bei den „Mitteilungen“ der Verwaltung
eingebracht. Die Gemeinde-Bürgermeisterin antworte ihm auf die Frage, ob Amazon im
Broistedter Unternehmenspark überhaupt Gewerbesteuern zahle. Maren Wegener hatte
deswegen bei Amazon nachgefragt und bekam, wenig überraschend, eine positive
Rückmeldung von dem Online-Versandhändler: Ja, es sei mit einer Zahlung im fünfstelligen
Bereich zu rechnen an Gewerbesteuern. Zur genauen Höhe könne nichts gesagt werden, da
diese von den Umsätzen von Amazon abhänge, so die Bürgermeisterin.

Jugendliche für Skaterpark, Anwohner sensibilisiert

In der Einwohnerfragestunde meldeten sich Jugendliche zu Wort, die teilweise mit ihren
Skateboards zur Ratssitzung gekommen waren. Auch ein Anwohner aus der Brucknerstraße
in Lengede meldete sich zum Thema Skater- und Parcoursanlage. Die will die SPD.
Die CDU/FDP ist derzeit wegen der zu erwartenden Kosten von „rund 300.000 Euro“
dagegen. Bernd Hauck von den Grünen möchte erst einen allgemeinen Bedarf, auch nach
möglichen anderen Schwerpunkten, bei den Jugendlichen abgefragt wissen, bevor eine
solche Investition gestemmt werden könne.
Für die CDU/FDP ist die teilreaktivierte Mountainbike-Anlage hinter dem Lengeder
Seilbahnberg eher ein warnendes Beispiel.
Die SPD sieht diese als stark genutzt an. Der Anwohner sorgt sich wegen des potenziellen
Lärms und verwies dabei auf die gut besuchte Skater-Anlage in Lamme. Die sprachen auch
die Jugendlichen an in der Sitzung.
Die SPD will diese Anlage endlich in der Gemeinde Lengede, Ideen dafür gibt es schon seit
gut zehn Jahren. Maren Wegener betonte, dass es noch gar keine Festlegung auf einen Ort
gebe. Mit der SPD-Mehrheit wurde beschlossen, in 2021 zumindest schon einmal 30.000
Euro für die Planung bereit zu stellen.

Weitere Entscheidungen und Themen der Sitzung des Gemeinderats Lengede am Montagabend

Bernd Hauck hatte vorgeschlagen, dass die eingesparten Aufwandsentschädigungen für die
Ratsmitglieder, wegen der Absage von Sitzungen wegen Corona, an Vereine ausgezahlt
werden. Das gebe die Kommunalverfassung nicht her, erläuterte Maren Wegener. Zudem
stehe den Ratsmitgliedern das Geld nur zu, wenn die Sitzungen auch stattfinden.
Geschenke und eine kurze Verabschiedung für zwei bekannte Gesichter gab es während der
Sitzung. „Senioren-Willi“ Meier scheidet nach vielen Jahren aus dem Seniorenbeirat des
Landkreises Peine aus. Ihn ersetzt Jürgen Herbst (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses
der Gemeinde Lengede.
Lengedes Ehrenbürger und früherer Bürgermeister Hans-Hermann Baas hat ebenfalls nach
einer langen Zeit den Vorsitz im Wasserverband Peine abgegeben. Nachfolger ist Lutz Erwig
aus Hohenhameln. Maren Wegener ist ebenfalls Vorstandsmitglied des Wasserverbandes.
Axel Lambrecht ist neuer Ortsbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr Klein Lafferde. Börge
Sanner ist sein Stellvertreter.
Per Beschluss gewährt die Lokalpolitik Bürgermeisterin Maren Wegener und ihrem
allgemeinen Vertreterin Cord-Heinrich Helmke eine Erhöhung der monatlichen
Aufwandsentschädigung auf 246 Euro (zuvor 205 Euro) und 168 Euro (zuvor 140 Euro).
Einstimmig (ohne Bernd Hauck) wurde beschlossen, dass die Vereine ihre gewährten
zinslosen Darlehen wegen der Corona-Lage später zurückzahlen können. Die Frist wird bis
Ende 2021 verlängert. Zudem gewährt die Gemeinde Lengede dem Sportverein Viktoria
Woltwiesche für die Erweiterung seines Sportheimes ein zinsloses Darlehen von maximal
29.000 Euro (Tilgung 10 Prozent, Laufzeit 10 Jahre, Rückzahlung ab 2026). Auch dieser
Beschluss war einstimmig.
Wie erwartet wird es für die Anwohner der sanierten Feldstraße in Broistedt günstiger bei
den Anliegerbeiträgen. Sie gilt nun offiziell als Straße „mit starkem innerörtlichen Verkehr“,
nicht mehr als reine Anliegerstraße. Das senkt die Beiträge. Die 19 Anwohner und
Anwohnerinnen müssen nun zusammen rund 62.000 Euro aufbringen.
In den neuen Baugebieten an die Fuhsestraße in Woltwiesche und Broistedt Ost gibt es
(neue) Straßennamen: Am Linnenberg in Woltwiesche und Sanddornring und Kirschenweg
in Broistedt.
Die Einfamilienhaus-Grundstücke im Baugebiet „Oberger Weg Nord“ in Klein Lafferde
werden zu einem Preis von 146 Euro/m² inklusive Erschließung, zuzüglich Kanalbaubeitrag,
veräußert. Die eingeschossigen Einfamilienhaus-Grundstücke im Baugebiet „Broistedt Ost“
sollen 182 Euro/m² kosten, im Baugebiet „Fuhsestraße“ in Woltwiesche 156 Euro/m².
Einstimmig beschlossen die Ratsmitglieder einen Antrag der SPD, der zu einer neuen Straße
vom Gewerbegebiet Broistedt (hinter der Biogasanlage) zur belasteten Kreuzung an der L
472/Osterriehe (Höhe Team-Tankstelle ) führen könnte. Die Verwaltung muss diese Option
nun offiziell prüfen.
Wegen der Corona-Lage, auch um „schnelle Entscheidungen“ treffen zu können, erweitert
der Gemeinderat die Möglichkeiten der Gemeinde-Bürgermeisterin beim Thema
Einstellungen. Die ist nun, bis zum 31. März 2021, ermächtigt, „auch über die nicht nur
vorübergehenden Einstellungen, die Eingruppierung, die Entlassung sowie über wesentliche
Änderungen bestehender Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu
entscheiden“.

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